Microsoft Kinect for Xbox 360 (formerly Project: Natal)

Nachdem die Nintendo Wii seit ihrer Veröffentlichung die beiden großen Konkurrenten Sony und Microsoft in den Verkaufslisten auch aufgrund ihres revolutionären Steuerungsprinzips düpiert beschlossen sowohl Sony als auch Microsoft, ebenfalls eine Interpretation einer Bewegungssteuerung quasi als “Erweiterung” ihrer bestehenden Platformen anzubieten. Während Sony sich bei “PS Move” auf die bewährten Methoden der Eingabegeräte setzt welche schon bei der Nintendo Wii eingesetzt wurden, setzt Microsoft auf eine Steuerung ohne Eingabegeräte: Bei der Kinect-Steuerung werden zwei Kameras und ein Mikrofon eingesetzt, um den Körper des Spielers zu erkennen und mit dessen Bewegungen die Titel zu steuern.Neben den Spielen kommt diese neue Steuerung ebenfalls bei dem alltäglichen Umgang mit der Konsole, etwa beim Navigieren in den Menüs, in einem Mix aus Bewegungs- und Sprachsteuerung zum Einsatz.

Diese neue Methode zur Steuerung der Spiele funktioniert erstaunlich gut, wenngleich sie sich anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig gestaltet: Es werden nur maximal zwei Spieler unterstützt, ebenfalls werden viel Raum zur Ausbreitung vorausgesetzt, für einen reibungslosen Betrieb werden drei Meter Abstand zum Gerät empfohlen. Hat man sich jedoch darauf eingestellt, verläuft der restliche Umgang mit der neuen Steuerung recht unproblematisch. Einloggen kann man sich durch herzhaftes Winken, Menüs werden per Handbewegungen gesteuert und selbst die Sprachsteuerung funktioniert absolut unproblematisch, sofern die Umgebungsgeräusche nicht zu hoch sind. Befehle wie “Xbox: Sky.fm” funktionieren tadellos, man muss sich nur sehr selten energischer bemerkbar machen. Die Steuerung per Hand funktionniert ebenfalls gut, man muss sich jedoch das “Klicken” abgewöhnen: Eine Auswahl trifft man durch eine Art Mouseover und verharrt eine Sekunde lang über der Auswahl. Die Buttons wurden dementsprechend in der Größe angepasst, sodass diese Bewegungen sehr flüssig von der Hand gehen.

Die Kinect-Steuerung kann auch im Spielbetrieb punkten, wenngleich den Umständen entsprechend andere Spielprinzipien angewendet werden müssen: Präzise Spiele wie schnelle Shooter, exakte Sportsimulationen oder Spiele mit mehreren Funktionen sind wohl nur schwer realisierbar. Dementsprechend beschränkt sich die momentane Auswahl an Titeln hauptsächlich auf ganzkörpergesteuerte Genres wie Tanz- und Rythmusspiele oder Partyspiele mit Minispielen. Diese steuern sich jedoch unabhängig von dem Erfahrungsgrad des Spielers allesamt sehr zuverlässig und bereiten viel Freude. Hier sei das dem Gerät beiliegende “Kinect Adventures” erwähnt, dessen fünf Minispiele sich als enorm spaßig entpuppten: Sei es als Dodgeball-Verschnitt, beim Verschliessen von Lecks unter Wasser oder beim Ausweichen auf einem Hinderniskurs, die Minispiele machen viel Spaß und eignen sich besonders gut zum abwechselnden Spielen in einer Gruppe. Die Steuerung ist dabei präzise genug um die Spiele vernünftig steuern zu können ohne dabei all zu pingelig zu werden, es gibt genügend Spielraum für Fehler und Fehltritte werden nicht frappierend bestraft, einzig der Highscore leidet – eine gute Methode zum Erhalt der Motivation und des Spielspaßes.

Wendet man dann den Blick zu den weiter erhältlichen Titeln wird eine Sache schnell klar: Die momentan erhältliche Spieleliste gestaltet sich mit knapp 21 Titeln sehr spartanisch, darüber hinaus sind viele Titel sehr ähnlich in Design und Gameplay, ausserdem sind viele der verfügbaren Spiele keine Titel von Drittanbietern, sondern von Microsoft geförderte Veröffentlichungen. Die hier getesteten Titel “Your Shape: Fitness Evolved” sowie “Dance Central” stellen demnach eine Ausnahme dar, da sie von namhaften Anbietern UbiSoft und EA veröffentlicht wurden.

Dance Central führt den momentan boomenden Markt der Musiktitel fort und gesellt sich so zu den Platzhirschen “Guitar Hero” und “Rock Band”. Entwickelt von dem Orginalteam hinter “Guitar Hero” setzt es auf eine Ganzkörpersteuerung um bestimmte Tanzchoreographien vom Spieler abzuverlangen. Damit könnte es als spirituellen Nachfolger des erfolgreichen “Dance Dance Revolution” gesehen werden, wenngleich der Spielverlauf selbstverständlich aufgrund der neuen Steuerung gänzlich anders ausfällt. Dieser Verlauf ist auch schnell erklärt: Es gilt, die von der Figur auf dem Schirm vorgetanzten Bewegungen möglichst genau zu kopieren. Getanzt wird dann zu einem von insgesamt 32 Musikstücken welche alle eine eigene Choreographie besitzen. Einzelne Bewegungen können so zwar in mehreren Tänzen vorkommen, die Bewegungsabläufe sind aber bei jedem Stück verschieden. Mehrere Schwierigkeitsgrade und die Option auf Download-Content sollten die Langzeitmotivation aufrecht erhalten.

Die Steuerung geht auch hier sehr präzise zu Werke, selbst bei schnellen Passagen mit mehreren Bewegungen (etwa die John Travolta-Nummer) macht die Steuerung nicht schlapp – so kann sich sehr gut darauf konzentriert werden, im Rythmus zu bleiben und Spaß zu haben. Zwei Spieler können hier auch um die Wette tanzen, ein Prinzip ähnlich dem von Guitar Hero ermöglicht eine faire Punktevergabe je nach Performance. Auf qualitativer Seite gibt es ebenfalls kaum etwas zu bemängeln, der Soundtrack ist durchwegs hochwertig und auch die Grafik weiss zu gefallen. Einzig die doch sehr aufgesetzt wirkenden Sprüche der Spielfiguren trüben den ansonsten sehr positiven Eindruck.

Your Shape: Fitness Evolved stellt sich hingegen ganz in den Dienst des Körpers: Während die anderen beiden Titel bereits mitweilen sehr schweisstreibend sein können ist diese Plackerei hier Sinn und Zweck der Übung. Your Shape versteht sich als nichts geringeres als eine Fitness-anwendung mit der man bequem von Zuhause aus einige Trainingsstunden absolvieren kann. Damit räumt es ordentlich mit dem Vorurteil des faulen Spielers auf und nimmt gleichzeitig das Motto der Kinect-Erweitung, die Spieler vom Sofa auf die Füße zu stellen, als Dreh- und Angelpunkt. Hierfür erstellt es nach einmaligem Scan der Physiologie des Spielers einzelne Übungsprofile welche bestmöglichst auf die Bedürfnisse des Nutzers zurecht geschnitten sind. Es ist sogar möglich einzelne Fokusgruppen zu setzen, etwa wenn man ein Training des Kreislaufs beabsichtigt. Diese Übungen gestalten sich dann recht ähnlich wie bei Dance Central : Die Figur des Trainers führt die Bewegung einige Male vor, danach soll der Spieler im Rythmus folgen.

Interessant ist vor allem, dass die Steuerung tatsächlich Schwachstellen in den Bewegungen erkennt und diese mit Kommentaren zu korrigieren gedenkt: Einerseits werden einzelne Angaben schriftlich vorgelegt (“Knie nach vorn”), andererseits gibt auch der Trainer selbst mündliches Feedback ab (“Versuch es doch nächstes Mal mit einem breiteren Stand”). So wird bestmöglichst vermieden, dass die Bewegungen inkorrekt ausgeführt werden oder gar schädlich sein könnten. Im Zen-Garten werden bei den dort stattfindenden Yoga-Übungen sogar die Winkel der Beine und Arme korrigiert. Zusätzliche Abschnitte mit Kraftübungen (diese setzen echte Hanteln voraus) und Ausdauerübungen (eine Art Schattenboxen gegen virtuelle Blöcke) runden das Paket ab. Vor allem Letztere sind ein Highlight, da sie enorm anstrengend und gleichzeitig belohnend wirken: Man kann sehr viel Zeit in der Übung verbringen ohne dabei von der verstreichenden Zeit Notiz zu nehmen. So eignet sie sich besonders gut für das kleine Training zwischendurch. Auch ansonsten ist das erzielte Workout durchaus beachtlich. Nette Details wie ein Kalorienzähler und gesammelte Statistiken aller bisheriger Trainingsintervalle bringen den letzten Schliff.

Auch hier gibt es, wie mittlerweile gewohnt, vom technischen Standpunkt aus gesehen nur wenig zu bemängeln. Sound und Grafik sind passend, besonders hervor zu heben ist die Integration der Spielfigur: Die Kinect-Hardware zeichnet ein exaktes Ebenbild des Spielers auf und stellt dieses möglichst genau dar. So erreicht das Spiel ein neues Gefühl der Präzision, da sämtliche Bewegungen vollständig nachvollziehbar werden. Apropos Präzision: Auch hier arbeitet der Kinect-Sensor durchwegs ordentlich, kann einzelne Gliedmassen problemlos unterscheiden und stellt so sicher, dass die Übungen tatsächlich wie vorgeschrieben ausgeführt werden.

Microsofts Bewegungssteuerung kann also tatsächlich überzeugen: Die Menüsteuerung läuft flüssig, Sprachbefehle setzt die Maschine recht zuverlässig um, und selbst die Spiele wissen zu gefallen. Einzig das bislang mit einigen wenigen Ausnahmen eher maue Spielelineup vermag es, die Situation geringfügig zu trüben, bereits angekündigte und zukünftige Spiele sollten dem jedoch schleunigst zuvor kommen – immerhin soll die Kinect-Peripherie den Lebenszyklus der Xbox360 bis 2015 verlängern.


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